Prinzipien leben, Regeln brechen.

Prinzipien leben, Regeln brechen.

Ich stehe vor meinem Weingarten. Es ist Sommer. Es soll der heißeste Sommer der österreichischen Wettergeschichte werden. Gemeinden überschlagen sich täglich mit aktuellen Temperatur-Höchstwerten, die sie werbewirksam an die regionalen und landesweiten Wetterstationen melden. Wann wird endlich die verdammte 40-Grad-Marke geknackt und wie heißt der höllische Ort, wo die Menschen in der unmenschlichsten Hitze Österreichs dahinsiechen müssen, frage ich mich. Wahnwitzig. Mein freistehender Kühlschrank auf meinem Schüttkasten hat gestern seine Kühlaktivität eingestellt. Kein Bericht ist davon zu lesen. Zu trivial für die Allgemeinheit. Ich schlurfe durch meinen Weingarten, ich nehme mir eine Stunde Zeit. Ich habe meine Flip-Flops in der ersten Weingartenreihe abgelegt. Nur meiner dicken Hornhautschicht auf den Fußsohlen habe ich es zu verdanken, dass ich die teuflischen Bodentemperaturen ertrage. Neusiedlersee-Cowboy-Fußsohlen.

Dem Kaziken zur Seite standen ein Ältestenrat und ein Medizinmann, der Behike, der den Kontakt zu den Göttern und Geistern aufrechterhielt.

Die Blaufränkisch-Trauben färben sich jetzt behutsam von Grün in ein zartes Violett. Der Ausblick auf den viel versprechenden Jahrgang steht in voller Pracht vor mir. Das sind jene Tage im Jahr, die ich wie ein Schwamm ein- und aufsauge. In meiner naiven und romantischen Vorstellung dachte ich, es gäbe viel mehr davon. Weit gefehlt, Neusiedlersee-Cowboy. Ich beklage diesen Umstand nicht, ich sehne mich nur nach mehr davon – dieses Verlangen gestehe ich mir ein. Eine Stunde, um nachzusehen, wie es meinen Trauben geht, eine Stunde Zeit, um nichts zu entscheiden, eine Stunde Zeit, um die Verbindung nicht zu verlieren. Diese Tage, diese Stunden der Muße erhebe ich jetzt zu meinem persönlichen Prinzip. Ich halte kurz inne. Persönliches Prinzip? Ersetze ich „Prinzip“ durch „Grundsatz“, dann stimmt auch „persönlich“. Dieses Gedankenspiel wird mich jetzt eine Stunde beschäftigen. Und es bereitet mir Spaß. Schon nach wenigen Minuten passiert etwas Seltsames und Spannendes zugleich. Ich denke schneller, als ich das Denken verstehen kann.

Es entsteht das Ergebnis des Denkens, aber ich habe den Prozess, der dazu führt, ausgeblendet. Dieser Zustand ist nicht den vorherrschenden tropischen Temperaturen geschuldet, und ein Strohhut schützt mich vor direkter und übermäßiger Sonneneinstrahlung. Ich mache es zu meinem Prinzip, zu meinem Grundsatz, Blaufränkisch-Wein für all jene zu schaffen, die gerne Zigarren rauchen und gerne Geschichten lesen. Dieser Gedanke gefällt mir. Ich spinne weiter – Behike in der Sprache der Taíno bedeutet Medizinmann. Ich stelle mir diesen Behike vor: Einer, der Geschichten erzählt hat. Geschichten, die sein Volk zum Lachen brachten. Geschichten, die man sich heute noch auf Cuba erzählt, und vielleicht wird dabei auch geraucht. Ein lustvoller Gedanke. Es ist beschlossene Sache. Überall, wo Behike Blaufränkisch draufsteht, ist auch eine Geschichte drin. Ich breche die üblichen Regeln der Weinbeschreibung – aus Prinzip, aus meinem persönlichen Prinzip. Weil es mein Grundsatz ist. Weil mich eine Stunde lang die Muse küsste. Am heißesten Tag des Jahres 2015. Ich bin Behike, der Geschichten erzählt.

Wenn das Ergebnis Erfolg verspricht.

Wenn das Ergebnis Erfolg verspricht.

Menschen nehmen Veränderung in ihrem Leben erst dann an, wenn ihre emotionalen Ansprüche nicht mehr ausreichend befriedigt werden. Ich merke das bei mir, wenn es mich wie mit einem Magnet nach Cuba zieht. Ich sitze auf Cuba, am südwestlichsten Zipfel dieser paradiesischen Insel, exakter in Marea del Portillo. Der einzige schwarze Sandstrand auf Cuba. Ich weiß nicht, warum ich dieses Ziel gewählt habe. Es ist meine letzte Urlaubswoche, und die Anreise mit einem cubanischen Taxi war wieder einmal abenteuerlich, jedoch entspannt, so wie auf Cuba die meisten Menschen entspannt wirken. Ich war davor in Havanna und habe mich ausreichend mit Zigarren eingedeckt. Ich bekomme mein Zimmer zugeteilt, spartanisch, die Dusche funktioniert und der Ausblick vom Balkon ist atemberaubend. Ich lege meine Zigarrenkisten auf mein Bett, das mache ich immer, es ist wie ein Ritual. Die unterschiedlichen Zigarrenlogos, fein säuberlich nach Ringmaß-Größen sortiert, ich bin wie immer verzückt.

Kellerbuch-Eintrag:
Heute duftet mein Behike nicht mehr nach Rum. Vanille und rauchige Noten haben sich der Frucht ergeben. Jetzt fülle ich ihn in die Flasche.

Unter den Schätzen befindet sich auch die wohl beste Zigarre der Welt, so erzählen es die Zigarrenverkäufer in Havanna City. Cohiba Behike, pro Kiste mit nur zehn Stück ausgeliefert und in drei Längen erhältlich. Ich habe mir den Luxus der 56iger geleistet und zwei Tage darauf gewartet – alles ausverkauft, auch auf Kuba. Eine zusätzliche Tabaklage, und zwar jene von den kleinen oberen Blättern der Tabakpflanze, machen diese Zigarre so einzigartig. Soll ich mir zu dieser Uhrzeit schon diesen Genuss gönnen? Ich denke, es spricht nichts dagegen. So leicht kann ich mich manipulieren – ein gutes Zeichen, in meinem Kopf wird aufgeräumt, Platz gemacht für neue, frische Gedanken, Ideen, Veränderung. Ich warte noch eine Viertelstunde, bis meine letzte Flasche Rotwein, die ich davor in den kleinen Kühlschrank gelegt habe, die richtige Temperatur erreicht hat. Drei Wochen Cuba-Urlaub ohne Wein aus meiner Heimat ist nicht denkbar, deshalb nehme ich immer Wein mit auf meine Reise. Ich nütze die verbleibende Zeit und besuche den schwarzen Sandstrand. Heiß, die Füße brennen – ab ins Meer. Der Gedanke, hier zu bleiben, kommt mir in den Sinn. Um diese Jahreszeit, im März, sind erst sehr wenige Urlauber unterwegs, somit habe ich den Strand fast ganz für mich. Nur vereinzelt verirren sich Menschen in meine Nähe.

Abgekühlt, erfrischt und mit sandigen Füßen stapfe ich durch den Sand – tatsächlich schwarz – zurück in mein Zimmer. Ich öffne die Flasche Wein, Blaufränkisch aus dem Burgenland, zelebriere das Anzünden meiner Behike und versinke in den Sessel, ausgekleidet mit meinem nassen Badetuch. Dieser Moment wird mir unvergesslich bleiben. Ich weiß nicht warum, und ich habe es auch nie näher hinterfragt, aber in diesen 45 Minuten spielen meine Synapsen verrückt, ein permanentes Andocken an alle meine Sinne. Verschwommene Ideen werden auf einen Schlag sichtbar und glasklar. Ich rauche, trinke und befinde mich in einem Trancezustand, jedoch in vollkommener Konzentration: Ich werde Wein machen, ich werde Blaufränkisch machen und ich werde diesen Genuss mit der besten Zigarre der Welt kombinieren. Keine Dekadenz, keine Überheblichkeit, nicht endlos – auf besondere Momente fokussiert und für Menschen, die ihre eigene Perfektion lieben. Für die mache ich Behike Blaufränkisch – whatever you do!

Die gute alte Holzhütte.

Die gute alte Holzhütte.

Ich starte meinen alten Saab, er springt wie immer nicht an. Ich verzeihe dem Vehikel und bin nicht darüber verärgert, ich habe es im Innersten vermutet, und es ist jedes Jahr das selbe Prozedere. Er parkt jetzt wieder seit einem Jahr in meinem alten Schuppen. Ich benutze ihn nur, wenn ich zu meiner Holzhütte fahre. Die Hütte miete ich jedes Jahr für vier Wochen im Winter. Sie liegt am Katschberg und ist zu dieser Jahreszeit nur auf eigene Gefahr bewohnbar und, noch wichtiger, „befahrbar“. Es hat mich viel Überzeugungskraft gekostet, den Vermieter zu überreden, ich musste eine Erklärung unterschreiben, dass ich auf eigenes Risiko handle. Ich packe meine Schneeketten neben den üblichen Proviant ins Auto und begebe mich auf den Weg in die endlose Ruhe. Ein schmaler, vom Schnee so recht und schlecht geräumter Weg führt zur Hütte,  allein stehend und für Schiefahrer nicht erschlossen. Ich öffne die Holztüre, ich habe meine helle Freude in diesem Moment.

Kellerbuch-Eintrag:
Der Behike im Eichenfass Nr. 3 überzeugt mich heute. Ein neues Eichenfass von Vicard – darauf ausgelegt, die Tannine im Wein zu forcieren. Gelungen.

Die Hütte besteht aus nur einem Raum zum Wohnen und Kochen. Eine schmale Holztreppe führt ins das Obergeschoß, zur Schlafkammer direkt unter dem Dach. Ein kleines Fenster in der Mitte sorgt im Sommer für frische Luft, im Winter spielen hier die Eisblumen verrückt. Ich heize im unteren Teil der Hütte den Kochofen ein. Langsam füllt sich die kleine Hütte mit wohliger Wärme. Ich befreie den Weg von der Hütte zum kleinen Nebengebäude, das ebenfalls als Holz gebaut ist. Hier finde ich meine Kanister mit Wasser, ja, eingefroren, ich muss es jeden Tag am Ofen auftauen. Ich stehe bis zu den Knien im Schnee. Mein Blick wird durch einen rot-gelben Sonnenuntergang verwöhnt. Es ist Jänner, das alte Jahr schwingt noch in meinen Gedanken nach und ich atme die klare Bergluft in meine Lungen. Dieser Moment, ich wünsche mir Unendlichkeit. Ich stapfe zurück in die Hütte, der kleine Raum hat sich in der Zwischenzeit behagliche erwärmt. Ich verstaue meine mitgebrachten Vorräte in den kleinen Küchenschränken über der Kochstelle und meine Weinflaschen frostgesichert in der Außenhütte, nur eine Flasche Behike Sankt Laurent bleibt in der Hütte. Kein Strom, kein Kühlschrank, alle Geräte, deren Name mit „I-“ beginnen, sind zwar aufgeladen und funktionieren noch ein paar Stunden, aber danach sind sie wertlos. Ich verwende die große Gusseisenpfanne für meine ersten Ham&Eggs – iPan, schießt es durch meinem Kopf, sollte ich mir diesen Begriff vielleicht schützen lassen? Ich verwerfe den Plan umgehend und kopfschüttelnd. Ich muss meine Marketing-Gehirnhälfte ausschalten, die bringt mich nur auf blöde Ideen. Wobei – nein! Ich öffne meine Flasche Behike Sankt Laurent und begebe mich damit in das Schlaf-Obergeschoß. Befreie das Fenster von den Eisblumen und stecke meinen Kopf durch die Fensteröffnung – viel mehr hat da auch nicht Platz. Zwischendurch einen Schluck vom Elixier. Die Quintessenz eines Jahres, das 5. Element für jeden Winzer. Er, der Sankt Lauerent, begleitet mich durch die erste Nacht in der alten Holzhütte. Danke, Herr Neff.

Am Weg in den Feierabend.

Am Weg in den Feierabend.

Der Hallenmeister bringt soeben meine Palette mit den Messestand-Teilen. McCormick Place, Chicago ist noch auf dem Aufkleber zu lesen. Alle Tore in der Messehalle stehen weit offen, eiskalte Luft von außen macht das Arbeiten in der Halle unmenschlich, und meine Motivation sinkt zunehmend mit den Hallentemperaturen. Warum die Messen, die ich besuche, immer im Winter sein müssen? Ich hadere mit meinem Schicksal und versinke ein wenig in Selbstmitleid. Nach vier Stunden Schuften steht meine Messestand. Die neue Grafik ist perfekt geworden, und die ersten Messestand-Nachbarn haben mir ihr „Warm Welcome“ bereits ausgesprochen, Hände geschüttelt und Smalltalk geführt. Ich mag die Amerikaner dafür. Meine Stimmung hebt sich zunehmends, und ich freue mich, in Chicago zu sein. Der öffentliche Autobus biegt in die Michigan Avenue ein. Der Michigan Lake an meiner rechten Seite ist zugefroren und es sind nur vereinzelt Fußgänger unterwegs. So kalt war es schon seit 30 Jahren nicht, erzählen mir die Amis.

Kellerbuch-Eintrag:
Mein Behike 2017 ist noch im Stahltank. Es knistert an meinem Ohr. Säureabbau. Ich will, ich muss kosten. Was wird nur aus dir werden? Die Messlatte liegt hoch.

Club Quarters Hotel ist die nächste Haltestation, meine Residenz für die nächsten zehn Tage mit Blick auf den Chicago River, der wie jedes Jahr am 17. März in grüner Farbe erstrahlen wird. Ich bleibe nicht lange in meinem Hotelzimmer, obwohl die Zeitverschiebung mir noch in den Knochen steckt und ich eigentlich müde bin. Aber mein erster Weg am ersten Tag in Chicago ist reserviert für einen Besuch im „David Burke’s Primehouse“. Der Kellner fährt mit dem Fleischwagen vor. Vor mir liegen die besten Stücke vom amerikanischen Rind, genauer gesagt vom Lim-Flex Rind, einer Rinderrasse, die vorwiegend in Nebraska 24 Monate weiden darf, bis es den Weg auf meinen Teller findet. Ich entscheide mich nicht für das Filet, ich wähle einen Teil der Hochrippe. Es ist mit etwas mehr Fett durchzogen, und der Knochen bleibt dran. Ich zeige auf ein Stück am Wagen und wünsche es mir in der Garstufe „English“. Dazu bitte keine Beilagen, aber eine Flasche Rotwein.

Ich erhalte umgehend die Weinkarte. Den Kellner mach ich darauf aufmerksam, dass er das Steak erst dann servieren soll, wenn der Wein, den ich noch wählen werde, atmen konnte. Das dürfte hier eine Selbstverständlichkeit sein, er nickte nur. Ich wähle einen Pinot Noir, meine Lieblingsrebsorte. Leider habe ich in Podersdorf keinen Weingarten mit dieser Rebsorte. Hirsch Vineyards Pinot Noir East Ridge. Ich halte mir das rechte Auge zu, ich möchte den Preis nicht sehen, und bestelle eine Flasche. In dem Bewusstsein, welches Privileg mir soeben zuteil wird, genieße ich meinen „ End of WorkingDday“ in vollen Zügen.

Nam Doc in Hongkong

Nam Doc in Hongkong

Der Airport Express wartet in seiner Station „Hongkong Airport“. Kowloon ist mein angestrebtes Ziel. Ich fahre immer mit der Bahn, der Weg in das Zentrum von Hongkong ist atemberaubend, vor allem nach einem 12-Stunden-Flug, mit längerem Zwischen-Aufenthalt in Frankfurt. Tsing Yi ertönt aus den Lautsprechern. Das Südchinesische Meer ist zum Greifen nahe, es glänzt in einem strahlenden Türkis. Am Horizont schlängeln sich die großen Containerschiffe, wartend und bereit, um ent- oder beladen zu werden. Der Zug bewegt sich fast lautlos auf den Schienen – keine Eigenlaute, so wie ich es aus Österreich kenne.

Kellerbuch-Eintrag:
Grauburgunder riecht nachBirnen. Nein, Mango.
Weingartenpfirsich? Wir einigen uns. Nur 6 Monate in neue Fässern gelagerd.
Mein Starrsinn setzt sich durch. fruchtig.

Ankunft in Kowloon, einem der angesagten Bezirke in Hongkong. Ich schiebe meinen Koffer Richtung Nathan Road – schon wieder vergessen, wie lange es dauert, die Distanz unterschätzt. Die gefräßige Stadt hat mich wieder. Ich rufe ein Taxi und reiche dem Taxidriver meinen vorgefertigten Zettel mit chinesischen Schriftzeichen. Er grinst und antwortet in Englisch: „Hotel Three Delphines.“ „Yes please“, meine kurze, aber freundliche Antwort. Sobald ich den Boden von Hongkong betrete, vergesse ich meine griesgrämige Laune, für die ich zu Hause bekannt bin. Mein Taxi schießt den Kowloon Park Drive hinunter, vorbei an den unzähligen Geschäften mit den bekannten internationalen Markenlogos. Dazwischen die kleinen chinesischen Essenswagen mit den wohlschmeckenden Suppen, die ich so schätze. Jedoch das wohl Beste in Hongkong sind die frisch gepressten Fruchtsäfte. Mein klarer Favorit ist Mango, wobei in China nicht die rot-gelben Mangos verwendet werden, sondern die cremefarbenen, die Nam Doc oder Thai-Mangos. Das sind jene, die in unseren Supermärkten schon mal 5 Euro kosten dürfen – das Stück, möchte ich noch anmerken. In Hongkong werden sie gepresst und in Viertel- oder Halbliterbechern angeboten. „Please, could you stop at the next corner. I need 5 seconds to buy a mango juice.“ Der Fahrer grinst wieder und stoppt wie gewünscht. Ich habe noch chinesische Münzen von meinem letzten Aufenthalt. Ich zeige auf die Mangos und auf den großen Becher. Nach einer Minute ist alles fein gepresst und fertig. Ich zahle mit 5 Hongkong-Dollars und bekomme noch Geld zurück – ich rechne im Kopf in Euro, zirka 60 Cent. Ich springe in mein Taxi und beginne zu schlürfen. Schlürfen darf man in China, das zeigt allen Anwesenden, dass es schmeckt. Der Duft der frisch gepressten Mangos erinnert mich ein wenig an meinen Grauburgunder, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Der Mango-Saft schmeckt vorzüglich, genauso hatte ich ihn in Erinnerung, es sind noch zehn Minuten Fahrt, bis ich mein Hotel erreiche. Hongkong hat mich wieder.

Momente, die entscheiden.Dreams.

Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig.

Ich entgleise. Ich verlasse die perfekt asphaltierten, bequemen Wege, die bereits zu Recht von Heros markiert wurden. Ich schreibe für mich die Anleitung neu. Meine Neugierde, meine Leichtigkeit führt mich, treibt mich. Ich komme dabei bis an den Abgrund meines „Ich“. „Jetzt schon?“, frage ich mich. Nur noch ein Schritt. Wissend um die Gefahr, die unausweichlich kommen muss, trete ich ein. Zeit und Raum werden eine unübersichtliche Einheit, meine persönlichen Strukturen verblassen zusehends, es gibt keine Haltegriffe, keine Anker, die mich festhalten. Ich suche in meiner Anleitung nach der Checkliste zur Fehlerbehebung. Unzählige unsinnige Seiten versperren mir die Sicht auf das Wesentliche. Sollten diese, die unnützen Dinge in meinem Leben, mit denen ich nie etwas anfangen konnte, die ich nie hinterfragt hatte, mein Schaffen widerspiegeln?

Außergewöhnlichen Wein zu machen ist kein Zufall.
Vielmehr zeugt es von
Leidenschaft, im Sinne von
Leiden. Wie viele Jahre
braucht man, um einen für sich perfekten Wein zu machen?
Er wird nie perfeklt sein!

Wo ist die verdammte Checkliste? Habe ich auf sie vergessen, habe ich vergessen, sie zu schreiben? Ich weiß genau, irgendwo muss sie sein, ich habe sie doch nur verlegt. Ich muss raus, ich muss meine Checkliste finden, ich muss in meinen Weingarten, ich habe da noch etwas zu erledigen. Ein beklemmendes Gefühl durchströmt meinen Körper, ich muss den Ausgang finden. Mein Körper funktioniert nicht mehr, er hört nicht mehr auf meine Anweisungen. Angst begleitet jetzt meine Beklemmung – was für ein wahnwitziger Mix. Was ist aus meinem Intellekt geworden, wo sind meine Emotionen geblieben? Ich versuche mich zu konzentrieren, muss meine Seele finden. Ich kann sie sehen, ich kann sie berühren, sie war nie weg, sie war immer da, sie hat mich nie verlassen. Mein Anker ist wieder greifbar geworden. Sie führt mich heraus
aus dieser Unwirklichkeit, sie bringt mich heim. Jetzt! Mein Körper füllt sich mit Leben, wohltemperiert fließt das Blut in meinen Adern. Alles Fremde, Zerstörende ist wie von Zauberhand entfernt. Kein Traum? Realität? In diesem Moment verschwindet der Horizont, keine Erdkrümmung mehr, ich kann alles sehen, es berauscht mich und ich bin glücklich. Die Farben kehren zurück, die Perspektiven sind wieder in einer perfekten Symmetrie, meine Checkliste liegt vor mir. Die Anzahl der Seiten haben sich reduziert, Unnützes ausgespart, die wesentlichen Kapitel sind fett geschrieben und alphabetisch sortiert. Ich beginne die Seiten zu lesen. Ruhe kehrt in mich ein, ich habe mein Bestes gegeben. Noch einmal zieht es mich in meine Weingärten, noch einmal die Holztreppe hinunter in meinen Weinkeller, ich kann sie riechen, die Holzfässer, sie ruhen an meiner Seite, noch ein Glas Wein trinken. Verzückung, Ekstase, meine Obsession. Ich habe nicht nur einfach Wein gemacht. Ich habe meine Seele in Flaschen gefüllt. Die Kellertür fällt in das Schloss, das letzte Kapitel „Neff Number one“. A goads Tröpferl. Für meinen Freund Josef/Joe/Neff Behike Sankt Laurent – whatever you do!